Montag, 4. Mai 1998

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Bülach: Begeisternde Premiere der Spielleute von Seldwyla für einmal mit Live-Musik

Überzeugende Leistung der Darsteller der Posse
«Pension Schöller» in der Kanti Aula

bb. Das in grosser Anzahl erschienene Premièren-Publikum der Spielleute von Seldwyla genoss vergangenen Samstag abend in der Aula der Kantonsschule Zürcher Unterland einige vergnügliche Theaterstunden mit der amüsanten Posse «Pension Schöller» von Carl Laufs und Wilhelm Jacoby. Unter Regie von Eugen Wirth lebten sich die Laienschauspieler voll in ihre Rollen ein, überraschten auch mit gekonntem Gesang und gefühlvollem Klavierspiel. Ganz besondere Akzente setzten einerseits die Dixieland Jazzband «The Janglers», andererseits die sehr aufwendigen, imposanten Bühnenbilder, welche unter Leitung von Bühnenmeister Arnold Lienhart entstanden.
Um es vorweg zu nehmen, die diesjährige Produktion der Spielleute von Seldwyla vermag das Theaterpublikum mitzureissen – Spannung, Action und Lachen sind angesagt. In monatelanger intensiver Arbeit und Proben haben sich die theaterbegeisterten Laienschauspieler, die jüngste ist 16 Jahre, unter Anleitung des Regisseurs Eugen Wirth in die vielfältigen Rollen eingelebt und sich ständig verbessert. Zum ersten Mal begleitet eine Live-Band das Theater, die sechs Musiker Johannes Haller, Walter Fehr, Göpf Schelling, Werner Lempen, Jürg Lendemann und Graziano Gerussi von der Dixieland-Band «The Janglers» versetzen das Publikum mit ihren rassigen Interpretationen in die zwanziger Jahre. Die drei aufwendigen, sehr beeindruckenden Bühnenbilder, eines sogar zweistöckig, verlangten vom Bühnenmeister Arnold Lienhart und seinem Team alles ab, passten hervorragend in die Zeit der zwanziger Jahre.

‚Pension Schůlleré mit den Spielleuten von Seldwyla, BŮlach

Ein ausgebrochener Löwe brachte die Darsteller am Gesellschaftsabend in der Pension «Schöller» zum Fürchten. (Bild: bb)

Durch die Brille der Vorurteile gesehen

Im Zentrum des Stückes stand Philipp Klapproth, ein alternder Junggeselle (treffend interpretiert von Robert Nagel), der, einmal zu Reichtum gekommen, seinem Neffen Alfred Klapproth (Mathias Birchler bestach in seiner Rolle) ein Medizinstudium mit Fachrichtung Psychiatrie ermöglicht. Der Neffe wiederum bevorzugt ein Musikstudium und gerät in arge Not, als sein Onkel den Wunsch äussert, einmal eine Irrenanstalt von innen zu sehen. Dank Hilfe seiner cleveren Kollegin, der Kunstmalerin Elli Kissling (Katrin Lienhart), ermöglicht Alfred Klapproth seinem Onkel einen turbulenten Gesellschaftsabend in der Pension Schöller, wo alles normale Menschen, wenn auch mit gewissen Marotten ausgestattet, verkehren. Durch die Brille der Vorurteile sieht aber Philipp Klapproth in jedem Pensionsbewohner einen geistig gestörten Menschen — das Unheil, die Verwicklungen nehmen ihren Lauf . . . Besonders erwähnenswert in ihren herausragenden schauspielerischen Leistungen sind vor allem Beat Seiler, der in der schwierigen Rolle des verhinderten mit einem Sprachfehler versehenen Schauspielers Eugen Rümpel brilliert und die Lacher immer wieder auf seiner Seite hatte, aber auch Newcomerin Ursula Fehr, alias Schriftstellerin Josefine Krüger, gefiel mit ihrer ausgeprägten Mimik und Gestik. Gustav Fritschi in der Rolle des weitgereisten Weltenbummlers Fritz Bernardi setzte Akzente, ebenso ganz besonders Max Wohlgemuth, der in seiner mit vielen Auszeichnungen behangenen Uniform den zackigen pensionierten Oberst Gröber unnachahmlich inter-pretierte. Madeleine Bertschi in der Rolle der attraktiven Sängerin Lili Rosenthal überzeugte mit toller Stimme bei ihrem vorgetragenen Dirnen-Lied. Heinz Hintermeister als eleganter Pensionsinhaber Ludwig Schöller stellte sein lupenreines Hochdeutsch unter Beweis. Auch alle anderen Darsteller überzeugten voll in ihren Rollen, jeder auf seine Weise. Ein Riesenapplaus zum Schluss der Premieren-Vorstellung war den begeisterten Laienschauspielern gewiss. Für das kommende Theaterjahr haben sich die Schauspieler viel vorgenommen, unter Leitung von Eugen Wirth wagen sie sich an die «Kleine Niederdorf -Oper».